Mitteilung von Munich Cowboys vom 14.04.2007

Held aus der zweiten Reihe

Wenn an diesem Wochenende die Vorjahres-Finalisten zum Saisonauftakt der NFL Europa (NFLE) erneut aufeinandertreffen, wird ein Footballer der Frankfurt Galaxy besonders gefordert sein: Abwehrspieler Ulrich Winkler, dessen Karriere bei den Munich Cowboys Juniors begann und der über Rhein Fire und Galaxy bis zu einem Praktikum bei den Cleveland Browns gelangte. Beim Spiel der Men in Purple gegen die Amsterdam Admirals (Samstag, 19 Uhr) haben Winkler und seine Nebenleute in der Defense die schwere Aufgabe, das gefürchtete Passspiel der Admirals zu unterbinden. Galaxy-Sprecher Joachim Haas hofft, dass es Winkler gelingen wird, den holländischen Quarterback unter Druck zu setzen. Und, wenn möglich, mit dem Football-Ei zu Boden zu bringen. „Uli Winkler hat im vorigen Jahr eine sehr gute Saison gespielt“, sagt Haas. „Ein oder zwei Quarterback Sacks wären ein optimaler Start in die neue Saison.“

Die Erwartungen sind hoch, unbegründet sind sie nicht. Schließlich hat Winkler, bislang eher ein Held der zweiten Reihe, zuletzt Großes erreicht: Mit der Galaxy gewann er 2006 den World Bowl und als einer von nur acht Nicht-US-Amerikanern qualifizierte sich Ulrich Winkler für das International Development Practice Squad Program der US-Profiliga NFL. Den Regeln der NFL entsprechend durfte der talentierte Galaxy-Spieler zwar nur in der Saisonvorbereitung eingesetzt werden. Doch damit hat es der 23-Jährige, der erst vor acht Jahren mit dem Football spielen angefangen hat, inzwischen ähnlich weit gebracht wie der fünf Jahre ältere Kölner Peter Heyer, den Winkler sein Vorbild nennt. Heyer durfte sich 2006 berechtigte Hoffnungen auf eine NFL-Karriere machen, scheiterte aber zum wiederholten Male. Nach einem Muskelfaserriss in der Wade musste er ein Trainingscamp für die NFL vorzeitig abbrechen.

Winkler hingegen blieb von Verletzungen verschont. Er klopft dreimal auf Holz, um auszudrücken, dass er dieses Glück zu schätzen weiß. Die überlange, nahezu mörderische Vorbereitung auf die NFL-Saison bei den Cleveland Browns hat er ohne größere Blessuren überstanden. „Ein solches NFL-Trainingslager dauert sechs Wochen“, erzählt Ulrich Winkler. „Das Tagesprogramm beginnt um sieben Uhr morgens und endet spätabends um elf Uhr.“ Fünf Kilogramm Körperfett habe er in dieser Zeit –  ungewollt – verloren. Bei einer Körpergröße von 1,98 Meter brachte er am Ende nur noch 120 statt 125 Kilo auf die Waage.

Sein Kampfgewicht hat Winkler längst zurück. Und die Schinderei hat sich ganz offenbar gelohnt. Denn der baumlange Defensiv End ist in seiner Entwicklung als Footballer in der letzten Saison entscheidend vorangekommen, wie Fachleute der Branche bestätigen. Etwa Mike Jones, Head Coach von Frankfurt Galaxy. Jones scheint in der neuen Spielzeit mehr denn je auf den Abwehrhünen aus Bayern zu setzen. Winkler habe in der NFL-Saison „viel gelernt“, urteilte der Frankfurter Cheftrainer kürzlich. Er habe „einen erheblichen Schritt nach vorn gemacht“.

Das haben auch die Fans in der Frankfurter Arena wohlwollend registriert. Laut Galaxy-Sprecher Haas rangieren zwar weiterhin verdiente Stars wie Daniel Benetka (in seiner wohl letzten Saison für Galaxy) ganz oben in der Beliebtheitsskala. Dennoch freuen sich die Frankfurter Fans auf Winklers Einsätze, sagt Haas, denn die Galaxy-Fans wissen: „Da steht ja noch ein Deutscher auf dem Feld! Der kann ja was!“

Es ist nicht Winklers Art, durch Aktionen außerhalb des Rasens auf sich aufmerksam zu machen. Er versucht allein durch seine Leistungen auf dem Platz zu überzeugen. Für einen Footballer, der es bis auf die Türschwelle der NFL geschafft hat, tritt er angenehm bescheiden auf. Dass er aber Außergewöhnliches leisten kann, bewies der frühere Fußball-Ersatztorwart des VfR Garching schon als Jugendlicher bei den Munich Cowboys Juniors: „Irgendwann wollte kein Gegner mehr auf seiner Seite spielen“, erinnert sich sein früherer Trainer Hesham Khalifa. Ulrich Winkler sei „ein NFL-tauglicher Spieler“, bescheinigte zuletzt kein Geringerer als Romeo Crennel, Head Coach der Cleveland Browns, nach Winklers erstem Einsatz in einem NFL-Vorbereitungsspiel in Philadelphia, vor rund 50.000 Zuschauern.

Im Profigeschäft ist das als ein Riesen-Kompliment zu werten. Das Lob des Romeo Crennel wird Winkler bestärken, erneut eine gute Saison für Frankfurt Galaxy zu spielen. Und sich noch einmal für das NFL-Practice-Squad zu qualifizieren. Dass er es schaffen wird, daran zweifelt beim World-Bowl-Gewinner in Frankfurt eigentlich niemand: „Er gehört wieder rein“, meint Galaxy-Sprecher Haas und geht noch einen Schritt weiter: „Es würde mich nicht wundern, wenn Uli Winkler irgendwann bei einem NFL-Team aufläuft“.

Ein solcher Karriereverlauf entspräche nur der Logik der Liga. Vorrangiges Ziel der NFLE ist es schließlich, junge Spieler, Trainer und Schiedsrichter – ob aus Europa oder den USA – an das hohe Niveau der NFL heranzuführen. Zwar gibt es in Europa immer noch deutlich weniger Football- als Basketballspieler, was die Talentsuche nicht eben einfacher macht. Doch im Grunde genommen ist die NFL genauso wie die NBA auf der Suche nach einem Dirk Nowitzki. Nach einem Star, der genauso wie viele Familien in den USA aus Europa stammt.