Mitteilung von Wiesbaden Phantoms vom 15.09.2005

Die Chronik eines Dramas

Wie es zum Sieg der Phantoms und zum Aufstieg der Diamonds kam.

Irgendwann gehen selbst dem kreativsten Kopf die Schlagworte für das aus, was sich die beiden hessischen Rivalen seit zwei Jahren in Sachen Derby liefern. Zum vorläufig letzten Mal traf man sich nun am Sonntag im Darmstädter Bürgerpark Nord, um einen Sieger und den Aufsteiger in die GFL (German Football League) zu ermitteln. Der letzte Spieltag der Saison 2005 und eigentlich kam es so, wie man es auf beiden Seiten erwartet und befürchtet hatte. Es ging wieder gehörig an die Nerven.

Was sich zu einem hochdramatischen Showdown vor 1100 Zuschauern entwickelte, begann zunächst mit einer Verzögerung von 45 Minuten, weil die Phantoms ihre Jersey-Farben erst noch von Navy auf Weiss wechseln mussten. Ob der Wichtigkeit des Spiels eine verständliche Entscheidung der Schiedsrichter, die zusammen mit den Beteiligten und den nervös ausharrenden Zuschauern auch die Geduld aufbrachten, bis die Jerseys vor Ort und verteilt waren.

Dann wurde endlich Football gespielt. Vor über 350 aus Wiesbaden mitgereisten lautstarken Fans eröffneten die Phantoms das Spiel mit ihrem ersten Drive und kamen prompt zum Erfolg. Quarterback Frank Grimm vollendete aus 6 Yards, was seine Offense zuvor auf der eigenen 40 Yard Linie begonnen hatte. Christoph Karl verwandelte den Extrapunkt und die Phantoms setzten die erste Duftmarke.

Die gastgebenden Diamonds antworteten mit einem nicht minder eindrucksvollen Drive und glichen durch Raymond McGee aus (EP Bernd Link). Die Höflichkeiten waren ausgetauscht, nun beteiligten sich auch die bis dahin noch recht wirkungslosen Defense-Reihen am Spiel.

Vor allem die der Diamonds entwickelte sich fortan zum Retter aus höchster Not für den Favoriten und hielt die Phantoms nach zwei Ballverlusten Darmstadts aus der Endzone fern. Im dritten Anlauf nach dem Ausgleich gelang es Davis Matz aus einem Yard Entfernung dann doch, seine Phantoms wieder in Führung zu bringen. Christoph Karl erneut zielsicher und der Underdog ging wieder in Führung: 14:7.

Weil es bis dahin so schön ausgeglichen verlief, besann sich nun auch die Diamonds-Offense ihrer Stärke und Ballsicherheit und konterte postwendend durch ihren starken US-Quarterback Daniel Swanstrom. Zunächst verteilte er zielgenaue Pässe, bevor er selbst aus 5 Yards zum zweiten Diamonds-Touchdown lief. Bernd Link stellte per Extrapunkt den 14:14 Halbzeitstand her.

Bis dahin ein erfreulich spannendes, aber dennoch recht normales Football-Spiel zweier gut agierender Teams, die mit Applaus beider Fan-Blocks in die Pause geschickt wurden.

Was nun in der denkwürdigen zweiten Halbzeit folgte, setzte den jüngsten Aufeinandertreffen beider Teams die vorläufige Krone auf und jagte die Fans beider Teams durch ein immer stärker werdendes Wechselbad der Gefühle, angefangen von blankem Entsetzen bis hin zu ekstatischen Freudenausbrüchen.

Die Phantoms spielten im dritten Viertel den vielleicht besten Football der gesamten Saison. Die so schlagkräftige Darmstädter Offense wurde nahezu zur Bedeutungslosigkeit verdammt, während die Phantoms Offense die Geschenke ihrer Defense dankend annahm und sie konsequent in Punkte ummünzte. Eingeläutet durch eine Interception von Thomas Wietzorek, arbeiteten sich Frank Grimm und Co. bis zur Endzone der Diamonds vor, und Tobias Kreutzer fing einen Grimm-Pass aus 8 Yards zur erneuten Führung der Phantoms. Christoph Karl erhöhte auf 21:14.

Der zweite Angriff der Diamonds endete ebenfalls in den Händen der Phantoms. Daniel Swanstrom verlor das Spielgerät auf der eigenen 6 Yards Linie und die Phantoms versetzten ihre Fans durch den nächsten Touchdown in einen wahren Freudentaumel. Frank Grimm auf Benni Karweina, Extrapunkt Karl, 28:14 Phantoms.

Der Schock saß tief, es wurde still auf Seiten der Diamonds. Zumal auch das nächste Aufbäumen der nun völlig von der Rolle scheinenden Gastgeber im Jubel der Phantoms unterging. Youngster Björn Bartsch mit einer Interception eroberte den Ball für Wiesbaden und schickte die Diamonds Offense erneut zurück an die Sideline. In den letzten Minuten des dritten Spielviertels waren die Phantoms wieder auf dem Weg zum Touchdown, und nachdem zum letzten Mal in diesem Spiel die Seiten gewechselt wurden, vollendete Carsten Braun per Lauf aus einem Meter zum fünften Phantoms-Touchdown. Kicker Karl traf auch den fünften Extrapunkt. 35:14 Phantoms, das Stadion glich einem Tollhaus. Zumindest auf der Tribünenseite der Phantoms.

Aber die Diamonds wussten zu antworten, der Siegeswille war noch immer nicht gebrochen, selbst wenn es auf der Tribüne merklich still geworden war. Daniel Swanstrom ließ die desaströsen Minuten seiner Diamonds zuvor vergessen und erweckte sein Team und den Darmstädter Anhang zu neuem Leben.

Eine energisch und nun wieder zielsicher vorgetragene Angriffserie, abgeschlossen durch einen 10 Yards Pass auf Marcel Bourdache und die Diamonds schöpften wieder Hoffnung. Bernd Links Extrapunkt verkürzte auf 21:35 aus Sicht der Gastgeber.

6 Minuten und 20 Sekunden Restspielzeit verblieben und wurden zu den vielleicht dramatischsten Minuten in der langen Geschichte beider Teams. Das Drama, vor allem nun aus Sicht der Phantoms, nahm seinen Lauf.

Erster Akt:
Ein mißglückter Kick Off Return von Joel Buskirk wirft die Phantoms zurück auf die eigene 10 Yard Line. Eine denkbar ungünstige Ausgangsposition. Davis Matz ist dies egal. Er tankt sich durch die Verteidigungsreihen, bricht unzählige Tackles und läuft schließlich über 90 Yards zum Touchdown der Phantoms. Die endgültige Entscheidung? Nein! Eine Flagge weitab vom Geschehen, ein illegaler Block gegen die Phantoms und statt des 42:21 wird die Situation nun noch brenzliger.

Zweiter Akt:
Frank Grimm verliert den Ball zwei Spielzüge später kurz vor der eigenen Endzone. Fumble Phantoms, Ballbesitz Diamonds. Douglas Hacker sagt "Dankeschön" und vollendet zum 27:35, Bernd Link zum 28:35. Die Diamonds gewinnen endgültig Oberwasser und zwingen die Phantoms in der folgenden Angriffsserie zum Punt.

Dritter Akt:
Daniel Swanstrom übernimmt zum vermeintlich letzten Mal an diesem Nachmittag, nun bereits unter Flutlicht, die Verantwortung und führt sein Team Richtung Phantoms Endzone. Weniger als zwei Minuten noch auf der Uhr. Begünstigt durch eine hitzig diskutierte Pass Interference Strafe erreichen die Diamonds schließlich die Endzone. Gilbert Ramirez vollendet nach Zuspiel von Swanstrom zum 34:35. Trotz verschossenem Extrapunkt wären die Diamonds mit dieser Niederlage aufgestiegen. Ohrenbetäubender Lärm auf beiden Tribünen-Seiten des Stadions, 40 Sekunden noch zu spielen, Ballbesitz Phantoms und niemand sitzt mehr auf seinem Platz.

Vierter Akt:
Die letzte Chance für die Phantoms. Sie starten auf der eigenen 30 Yard Line. Frank Grimm löst sich von den aggressiv verteidigenden Diamonds, sieht eine große Lücke, läuft.....und trifft unglücklich auf einen Referee, beide gehen zu Boden. Zwar genug für ein First Down, aber wichtige Meter gehen durch diese Kollision verloren. Zudem läuft die Uhr weiter und zwingt die Phantoms zu ihrem letzten Time Out. Der nächste Spielzug: Paßversuch Grimm, abgefangen von einem Diamonds-Verteidiger. Doch dieser verliert den Ball beim Versuch, noch Raumgewinn gutzumachen. Die Phantoms erobern das Ei und stehen mit wenigen Sekunden auf der Uhr auf der 35 Yard Line der Diamonds.

Vorhang:
Benni Karweina soll es richten. Eigentlich als Wide Receiver und Mann für den Kick Off aktiv, steht er nun bereit, mit einem 50 Yard Field Goal die zum Aufstieg nötigen drei Punkte für seine Phantoms auf die Anzeigetafel zu bringen. Das Spiel ist zwar gewonnen, aber für den Sieg im direkten Vergleich reicht der eine Punkt Differenz nicht. Die Dramatik des Spiels gipfelt in diesem Versuch, dem letzten Spielzug der Saison 2005. Doch der Kick ist zu kurz, fällt kurz vor dem Goal Post zu Boden und nicht wenige Fans fragen sich irgendwann später, was passiert wäre, wenn es nicht kurz zuvor zu diesem unglücklichen Zusammenprall zwischen Frank Grimm und dem Referee gekommen wäre. Der Diamonds Verteidiger wird sich andererseits künftig mit etwas mehr innerem Lächeln seiner Interception erinnern können, ohne an den völlig unnötigen Fumble beim Return denken zu müssen.

Glück und Pech gaben sich in den letzten Sekunden bei beiden Teams die Hand und sorgten für ein atemberaubendes Finale in einem hochklassigen Spiel zweier würdiger Aufstiegsaspiranten.

Die Diamonds steigen völlig verdient in die Bundesliga auf, feierten ein grandioses Comeback in einem Spiel, das eigentlich schon deutlich verloren schien und eigentlich ja auch verloren wurde. Nie zuvor wurde eine Niederlage in Darmstadt so frenetisch gefeiert und nie zuvor auf Seiten der Phantoms so viele Tränen trotz eines Sieges vergossen.

1100 Zuschauer dankten beiden Teams für ein großartiges Spiel mit einem verdienten Sieger aus Wiesbaden und einem ebenso verdienten Aufsteiger aus Darmstadt. Und ob nun die Freude überwiegt, sich solche Nervenschlachten zunächst nicht mehr antun zu müssen oder die Traurigkeit darüber, dass diese Derbies nun zunächst nicht mehr stattfinden, wird jeder für sich selbst entscheiden müssen.

Hessen hat nun neben den Marburg Mercenaries einen zweiten Vertreter in der höchsten deutschen Spielklasse. Wir Phantoms gratulieren den Diamonds dazu recht herzlich und wünschen ihnen alles Gute für die erste schwere Saison in der GFL im kommenden Jahr.

In der Saison 2006 werden wir Euch ebenso vermissen, wir Ihr uns vermissen werdet. Auf ein baldiges Wiedersehen, hoffentlich "ganz oben"!