Mitteilung von Stuttgart Scorpions vom 06.06.2012

Ein in jeder Beziehung großer Kerl: Kevin Phanor

Nachdem die Stuttgart Scorpions an dieser Stelle bereits die seit März in Stuttgart weilenden US-Spieler John W. Pike und Tom Schneider ausführlich vorgestellt haben, ist es nun an der Zeit, auch den Dritten im Bunde etwas näher kennen zu lernen: Defensive Tackle Kevin Phanor, welcher Anfang Mai in Stuttgart eingetroffen ist.

Anders als bei Pike und Schneider, deren Wechsel nach Europa relativ überraschend zustande kam, reifte bei Phanor der Entschluss, diesen Schritt zu gehen, schon vor längerer Zeit. Erheblichen Anteil daran hat sicher einer seiner Coaches bei seinem letzten Team, den Black Bears von der University of Maine. Dieser war vor wenigen Jahren eine Spielzeit lang in der GFL aktiv und wusste seinen Schützlingen in den USA nur Positives zu berichten. Hinzu hegte Phanor schon immer ein Interesse an anderen Kulturen, und seit jeher wollte er mehr von der Welt sehen, als nur den heimischen Kontinent - andere Menschen, Sprachen und Lebensweisen kennen lernen. So trug er sich Anfang des Jahres 2012 in eine Online-Spielerbörse ein, über welche nordamerikanische Footballspieler Kontakt zu Teams in der alten Welt aufnehmen können. Mit leuchtenden Augen erzählt er dann, wie schon nach wenigen Tagen der Vorstandsvorsitzende der Stuttgart Scorpions, Markus Würtele, Kontakt zu ihm herstellte. Aufgeregt sei er in dem Moment gewesen, aufgeregt und voller Freude. Und so sagte er sofort zu, 2012 ein Teil der Scorpions Familie zu werden.

„Familie“ – dies ist das Wort, welches ihm als erstes einfällt, wenn man ihn nach seinem neuen Club fragt. Er erzählt, wie er das erste Mal zum Training der Scorpions kam und sofort dachte, dass hier eine Einheit auf dem Feld steht. Sicher gibt es, wie in jedem anderen Team, diejenigen die die Mannschaft anführen, die hervorstechen - und diejenigen, die folgen, von denen man nur vereinzelt etwas hört. Aber – und er betont wie wichtig ihm das ist – es ist zu spüren, dass hier nicht eine Ansammlung von Individualisten, oder ein Team welches aus vielen Grüppchen besteht, auf dem Feld steht, sondern ein Team, welches ein gemeinsames Ziel verfolgt. Und, so betont er, der Begriff „Familie“ lässt sich bei den Scorpions auch auf den Bereich abseits des Feldes übertragen - man spürt geradezu, wie sehr er dies genießt.

Ein zweites Wort, welches er im Gespräch immer wieder nennt, ist „Lernen“. Zum einen sagt er, er möchte hier so viel lernen wie nur möglich. Über die Kultur, die Lebensweise, die Sprache. Wenn er im Herbst in seine Heimat, Brooklyn, zurückkehrt, möchte er vieles mitnehmen, was er den Menschen dort zeigen kann, möchte ein reiferer und anderer Mensch sein. Aber auch wenn er Anderen helfen kann, etwas zu lernen und sich weiter zu entwickeln, geht ihm das Herz auf. So studierte er in den USA Spracherziehung, und wäre er nun nicht als Footballspieler in Deutschland, würde er in seiner Heimat in diesem Bereich mit Kindern arbeiten. An Kinder mag er, so betont Phanor, ihre Lernwilligkeit, er genießt es jedes Mal aufs Neue, wenn er bei den Junioren der Scorpions als Coach aushilft und dabei sieht, wie die jungen Spieler ihm zuhören und jeden Ratschlag, den er ihnen gibt, annehmen.

Außerhalb des Feldes, im alltäglichen Leben, fällt ihm die Umstellung nicht einmal so schwer, wie man vielleicht annehmen könnte. Zum einen mag das daran liegen, dass er sich im Vorfeld sehr gut über die deutschen Gepflogenheiten informiert hat, zum anderen aber auch daran, dass Kevin Phanor ein sehr offener und aufgeschlossener Mensch ist, dem es keine größeren Probleme bereitet, sich an die Etikette anderer anzupassen. Mit einem Schmunzeln erzählt er, dass er sich allerdings noch immer daran gewöhnen muss, dass man den Menschen hier in die Augen blickt, wenn man sich die Hand reicht. Und indirekt bestätigt er auch, dass viele Klischees, die den Schwaben nachgesagt werden, tatsächlich zu stimmen scheinen. Zum Beispiel die Ordnungsliebe, für welche sie bekannt sind, sei ihm sofort aufgefallen. Gehe man durch Brooklyn, so seien zur Genüge Menschen zu sehen, welche ihren Abfall achtlos auf die Straße werfen, selbst wenn eine Mülltonne in unmittelbarer Nähe sei, etwas das hier, wie er bestätigt, eher die Ausnahme ist. Für ihn ein Beleg dafür, dass die Menschen hier ihre Stadt mögen und es eben nicht ausschließlich Anderen überlassen wollen, in welchem Zustand diese ist. Und auch die schwäbische Pünktlichkeit, welche Teil des hiesigen Ordnungsverständnisses ist, hat es ihm angetan. Begebe man sich in Brooklyn in eine U-Bahn-Station, so erzählt er lächelnd, wisse man nur im seltensten Fall, wann und ob überhaupt die Bahn käme. Hier hingegen sei es keinerlei Problem – auch für einen Ortsfremden –, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln pünktlich und zuverlässig fortzubewegen. An diesem Punkt gerät er auch regelrecht ins Schwärmen; er erzählt von den Weinbergen, die seinen derzeitigen Wohnort im Remstal, vor den Toren der Stadt umgeben – etwas das er so noch nie gesehen hat -, er schwärmt von den alten Gebäuden und Plätzen im Herzen der Stadt, und wie viel Freude es ihm bereitet, all das zu Fuß zu erkunden.

Vorfreudig blickt er schon auf den Besuch seiner Familie hier im Sommer, dann möchte er ihnen so viel wie nur möglich von seiner neuen Heimat zeigen und auch einen Abstecher nach Paris unternehmen. In erster Linie deshalb, weil er den Eindruck hat, dass jeder Amerikaner beim Stichwort „Europa“ an die französische Metropole denkt, so dass er sich nun selbst davon überzeugen muss, warum dies so ist.

Kevin Phanor, ein junger Mann der voller Bescheidenheit betont, dass er jeden Tag das Gefühl hat mehr zu nehmen als er je zurückgeben kann, und der, wie auch John W. Pike und Tom Schneider, in Stuttgart gewiss seine Spuren hinterlassen wird.

JH